Auf Ersuchen der Österreichischen Bischofskonferenz ist Waltraud Klasnic seit April 2010 als Unabhängige Opferschutzanwältin tätig. Die Opferschutzanwaltschaft stützt sich bei ihren Aktivitäten auf die Entscheidungen und Empfehlungen der Unabhängigen Opferschutzkommission.
Mit der im April 2010 eingerichteten Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft wurde ein pionierhafter Schritt gesetzt, der einerseits international Beachtung gefunden hat und andererseits vorbildhaft für die staatlichen Einrichtungen Österreichs wurde. In allen österreichischen Bundesländern wurden beginnend mit August 2010 nach dem Beispiel der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft und der Unabhängigen Opferschutzkommission und ihrem Modell für therapeutische und finanzielle Hilfeleistungen Initiativen für Betroffene in Landesheimen gesetzt. Im Frühjahr 2012 zog nunmehr auch der Bund nach demselben Modell nach – freiwillige Hilfeleistungen ohne Rücksicht auf Verjährung. Mehrere Mitglieder der Kommission sind auch zur Mitwirkung bei den Landes- und Bundesinitiativen eingeladen worden und gestalten dort mit.
Unabhängig und ehrenamtlich
Die Unabhängige Opferschutzanwältin und die Unabhängige Opferschutzkommission arbeiten ehrenamtlich.
Die Mitglieder der Unabhängigen Opferschutzkommission sind:
• Dr. Brigitte Bierlein, langjährige Präsidentin undVizepräsidentin des Verfassungsgerichtshofes, Bundeskanzlerin a.D.
• Univ.-Prof. Dr. Reinhard Haller, Psychiater und Neurologe
• Hon.-Prof. Dr. Udo Jesionek, Präsident der größten Opferhilfsorganisation „Weißer Ring“
• Mag. Ulla Konrad, langjährige Präsidentin des Berufsverbandes Österreichischer Psychologinnen und Psychologen,Vorstand der Concordia Privatstiftung
• Prim. Dr. Werner Leixnering, langjähriger Leiter der Abteilung für Jugendpsychiatrie der Landes-Nervenklinik in Linz
• Mag. Caroline List, Präsidentin des Landesgerichts für Strafsachen Graz, Mitbegründerin des „Forums gegen sexuellen Missbrauch“
• Dr. Kurt Scholz, langjähriger Präsident des Wiener Stadtschulrates und ehemaliger Kuratoriumsvorsitzender des Zukunftsfonds der Republik Österreich
Für Koordination und Kommunikation ist Prof. Herwig Hösele zuständig.
Aufgaben
Die wichtigsten Aufgaben der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft sind:
• Vorschläge für individuelle Maßnahmen wie insbesondere Beratung, Mediation, Therapie und finanzielle Hilfe
• generelle Empfehlungen und Vorschläge, vor allem Bewusstseinsbildung und Prävention • Gespräche
• rechtliche und psychologische Beratung
• Dokumentation
• Öffentlichkeitsarbeit
• Koordination mit zivilgesellschaftlichen, kirchlichen und staatlichen Stellen
Durch die Unabhängige Opferschutzanwaltschaft und -kommission wird sichergestellt, dass finanzielle und therapeutische Hilfestellungen österreichweit einheitlich gewährt werden.
Seitens der Österreichischen Bischofskonferenz wurden die absolute Unabhängigkeit der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft und die volle Kooperation aller Stellen der katholischen Kirche in Österreich zugesichert – insbesondere was notwendige Informationen und die Umsetzung der Empfehlungen betrifft.
Die bestmögliche Zusammenarbeit und Abstimmung mit allen zivilgesellschaftlichen, staatlichen und kirchlichen Stellen ist für die Opferschutzanwaltschaft ein besonderes Anliegen. Ziel ist eine ehrliche, sensible und gründliche Aufarbeitung und insbesondere eine präventive Wirkung. Vor allem geht es um die Menschenwürde, um Offenheit und Wahrhaftigkeit.
Arbeitsweise
Die Unabhängige Opferschutzanwaltschaft arbeitet mit den zuständigen kirchlichen Stellen (diözesane Ombudsstelle, diözesane Kommission, Ordinarius) zusammen. Während in der Anlaufphase seitens der Unabhängigen Opferschutzanwaltschaft auch direkt Betroffenen- Meldungen aufgenommen wurden, erfolgen diese seit 1. Juni 2011 über die diözesanen Ombudsstellen.
Erhärtet sich der Verdacht, so informiert die diözesane Ombudsstelle die diözesane Kommission und damit den Ordinarius über die Erkenntnisse der Prüfung, damit die erforderlichen kirchlichen Maßnahmen – einschließlich einer Entscheidung über finanzielle Hilfe für das Opfer – getroffen werden.
Wird von der Diözesankommission eine finanzielle Hilfe für das Opfer empfohlen, ist eine Stellungnahme des zuständigen Ordinarius einzuholen. In der Folge leitet die diözesane Kommission in Absprache mit dem Diözesanbischof den Sachverhalt gemeinsam mit den Stellungnahmen der Ombudsstelle, der diözesanen Kommission und des zuständigen Ordinarius an die Unabhängige Opferschutzkommission zur Entscheidung über die Höhe der finanziellen Hilfe weiter.
Auf diese Weise wird sichergestellt, dass alle erhärteten Verdachtsfälle, in denen das mutmaßliche Opfer finanzielle Hilfe will, der Unabhängigen Opferschutzkommission vorgelegt werden. Personen, die eine therapeutische Unterstützung und Begleitung brauchen, benötigen diese in der Nähe ihres Wohnortes. Dies wird von den diözesanen Ombudsstellen angeboten.
Um die erforderliche therapeutische Unterstützung möglichst rasch anbieten zu können, werden entlastende und stützende Gespräche von den Mitarbeitern der diözesanen Ombudsstellen sofort geleistet.
Die Zusage der Kostenübernahme für eine Psychotherapie als akute Hilfeleistung wird von den diözesanen Ombudsstellen rasch und unbürokratisch getroffen. Üblicherweise erfolgt die Zusage für einen befristeten Zeitraum, der je nach dem individuellen Bedarf des Opfers auch mehrfach verlängert werden kann.
Die Ombudsstellen entscheiden über die Soforthilfe nach § 60 der Verfahrensordnung eigenständig. Für weitergehende Hilfen wird gemäß § 61 vorgegangen.
Wenn jemand eine Pauschalsumme für eine bereits früher durchgeführte Therapie wünscht und gleichzeitig „akut“ keine Therapie braucht oder will, dann ist die Vorgangsweise wie bei der Zuerkennung finanzieller Hilfe (siehe oben) anzuwenden.
Finanzielle Hilfestellungen können ohne Rücksicht auf gerichtliche Verjährungsfristen gewährt werden.
Die Beschlüsse der Unabhängigen Opferschutzkommission bezüglich Maßnahmen, Therapien und finanzieller Hilfeleistungen für Opfer sind für alle Einrichtungen der katholischen Kirche in Österreich maßgeblich, insbesondere für die von der Österreichischen Bischofskonferenz eingerichtete überdiözesane „Stiftung Opferschutz“.
Hier können Sie die neu überarbeitete Rahmenordnung "Die Wahrheit wird euch frei machen" (Stand September 2021) für die katholische Kirche in Österreich einsehen und
Seit 2010 hat die Unabhängige Opferschutzkommission 3.279 Fälle entschieden. In 3.013 Fällen wurde zugunsten der Betroffenen entschieden. Insgesamt handelt es sich um 3.450 Betroffene von physischer und/oder sexueller Gewalt, davon 2.156 Männer und 1.294 Frauen
Den Betroffenen wurden bisher in Summe 36,56 Mio. Euro zuerkannt, davon 28,87 Mio. Euro als Finanzhilfen und 7,69 Mio. Euro für Therapien. Die Kirche hat alle Entscheidungen der "Klasnic-Kommission" umgesetzt. In 266 Fällen wurden keine Leistungen zuerkannt.
Die Betroffenen haben insgesamt 8.047 Vorfälle gemeldet, das heißt, dass die Mehrheit von zwei oder mehr Übergriffen betroffen war. 79% der Betroffenen berichten von körperlicher Gewalt, 28% von sexueller Gewalt und 11% von körperlicher und sexueller Gewalt, wobei Mehrfachnennungen möglich waren. 62,5% der Betroffenen sind männlich, 37,5% weiblich.
Die meisten Vorfälle sind rechtlich verjährt und haben sich hauptsächlich in den 1960er- und 1970er-Jahren ereignet (0,4% der Fälle lassen sich zeitlich nicht zuordnen): 12,5% der Fälle sind in den 1950er-Jahren und früher geschehen, 35% in der 1960er-Jahren, 34,2% in den 1970er-Jahren, 11,7 % in den 1980er-Jahren, 4,6% in den 1990er-Jahren und 1,6% seit 2000.
62,7% der Betroffenen waren zum Zeitpunkt der Übergriffe 6-12 Jahre alt, 28% 13-18 Jahre, 7,6% waren jünger als 5 Jahre, 1,4% waren über 18 Jahre, 0,3% sind nicht näher definiert. 72,6% der Betroffenen wurde 1965 oder davor geboren und sind somit heute rund 60 Jahre oder älter.
(Stand: 30. Juni 2024)
Maßnahmen der Katholischen Kirche in Österreich gegen Missbrauch und Gewalt - Ein Überblick